(Ein Artikel auf derstandard.at vom 25. September 2020)
Es war im November 1915, als Albert Einstein seine berühmten Feldgleichungen in der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorstellte. Sie sind die Grundlage seiner Allgemeinen Relativitätstheorie, in der die Gravitation als Eigenschaft der vierdimensionalen Raumzeit beschrieben wird. Die einsteinschen Feldgleichungen zu kennen ist das Eine. Ihre Lösungen zu analysieren ist aber eine Aufgabe, die Physiker bis heute beschäftigt. Dabei gilt es auch zu klären, wie sich das Universum in seiner Frühphase entwickelt hat, wie seine zunehmende Ausdehnung zu erklären ist, oder auch, warum das Universum heute auf großen Skalen recht gleichförmig erscheint – im Fachjargon wird das als Homogenität der Raumzeit bezeichnet.
Um letzteres zu erklären, wurde in den frühen 1980er-Jahren die sogenannte Inflation vorgeschlagen. Es handelt sich dabei um eine sehr kurze Zeitspanne extremer Expansion, die unmittelbar nach dem Urknall stattgefunden hat. David Fajman, mathematischer Physiker der Universität Wien, hat nun in "Physical Review Letters" eine Arbeit vorgelegt, in der er den mathematischen Beweis erbringt, dass eine bestimmte Klasse von Modellen ohne die Inflations-Theorie auskommt. Die Homogenität des Universums ergibt sich stattdessen direkt aus den einsteinschen Feldgleichungen. Die Gravitation allein ist somit ausreichend, um die Homogenität des Universums zu erklären, ohne dass die zusätzliche Annahme der Inflation benötigt wird. "Es gibt Klassen von Lösungen von Einsteins Gleichungen, die völlig ohne Inflation auskommen. Ob das auch für unser Universum zutrifft, können wir noch nicht sagen", erklärt Fajman.
Spielzeug-Universen
Die Modelle, die Fajman in seiner Arbeit analysiert, sind sogenannte Toy-Models – es handelt sich dabei um Lösungen der Feldgleichungen, die nicht unbedingt unser Universum beschreiben. "Wir sehen experimentell, dass das Universum recht homogen ist. Die Frage ist, ob der Grund dafür die Gravitation ist oder ob es noch einen anderen Mechanismus braucht", sagt Fajman. "Man hat sich einige Behelfsmechanismen wie die Inflation ausgedacht, die man zu Einsteins Theorie hinzunimmt, um sie an die experimentellen Befunde anzupassen." Es könnte aber sein, dass es diese Behelfe gar nicht braucht und die Gravitation dafür sorgt, dass das Universum aus seiner anfänglich wahrscheinlich großen Inhomogenität mit der Zeit immer homogener wird.
Fajman konnte mathematisch für eine bestimmte Klasse von Lösungen der Feldgleichungen zeigen: "Egal wie groß die Störungen der Homogenität zu Beginn sind, wenn man lange genug wartet, sieht das Universum homogen aus." Ist damit auch geklärt, warum das Universum, in dem wir leben, so homogen ist? "Nein", sagt Fajman. "Die Modelle, die wir uns ansehen, sind sogenannte 2+1 Modelle, wir betrachten dabei einen zweidimensionalen Raum mit einer Zeitdimension." Unser Universum, wie es durch Einstein beschrieben wird, hat allerdings drei Raumdimensionen und eine Zeitdimension, woraus sich die vierdimensionale Raumzeit ergibt.
Von 3 zu 4 Dimensionen
Es ist aber allemal interessant zu sehen, dass die einsteinschen Feldgleichungen für das Toy Modell mit 2+1 Dimensionen ausreichen um zu erklären, wie die Anfangsstörungen mit der Zeit homogen werden. "Es ist ein rigoroser mathematischer Beweis, bei dem keine Zweifel offen bleiben. Der Preis, den man dafür bezahlen muss, ist, dass wir noch mit einem nicht so realistischen Modell arbeiten", sagt Fajman. "Nun ist die Hoffnung, dass es mittelfristig gelingt, diesen Beweis für Modelle zu erbringen, die den Beobachtungen unseres Universums nahe kommen." Als nächsten Schritt wäre es daher wünschenswert, den Beweis auf 3+1 Dimensionen übertragen kann.
"Ich bin der festen Überzeugung, dass Einsteins Gleichungen letztlich deswegen triumphieren, weil sie mathematisch unglaublich elegant sind. Meine Motivation ist, bis ins Extreme zu verstehen, was diese Gleichungen implizieren", sagt Fajman. Neben der Inflation könnte ein tieferes Verständnis der einsteinschen Feldgleichungen auch dazu führen, dass sich Konzepte wie Dunkle Energie oder Dunkle Materie direkt aus der Gravitation ergeben – ohne einen zusätzlichen Mechanismus.
Auch 100 Jahre nach ihrer Veröffentlichung haben die Feldgleichungen nichts an ihrer wissenschaftlichen Faszination verloren. "Wir kennen die Gleichungen und verstehen sie, aber die Lösungen sind immer noch ein Mysterium", sagt Fajman.